Schödlbauer: Clandestino

Ulrich Schödlbauer

Clandestino 

oder Der Hunger nach Identität

Erzählungen

Broschur, 416 Seiten

Umschlagmotiv: Lucius Garganelli

ISBN: 978-3-944512-40-2

Preis: Euro 19,80

Vorwort:
Es ist bereits ein paar Jahre her, dass ich Clandestino das erste Mal traf. Es geschah an einem sonnigen Wintertag, auf einer der Brücken, welche Ortigia, die Altstadt von Syrakus, mit der Neustadt verbinden. Zufall oder nicht, er gab mir ein Zeichen: ein breites Band mit dem Aufdruck ›Clandestino‹ hing unauffällig zwischen vielerlei Werbesprüchen vom Brückengeländer und war verschwunden, als ich es meiner Gefährtin zeigen wollte. Seither verfolge ich die Spuren dieser irrlichternden Existenz kreuz und quer durch Europa.
Ohne mir darauf etwas einzubilden, lege ich heute die Ergebnisse meiner Clandestino-Forschungen vor, hoffend, sie möchten für sich selbst sprechen, ohne dass ich lange Erläuterungen vorausschicken müsste. Allenfalls sollte geklärt werden, warum ich für meine Darstellung die Erzählform gewählt habe. Nun denn: Ich habe sie gewählt, weil sie passte. Das mag in manchen Ohren unbefriedigend klingen, aber es ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
Der Verfasser

Leseprobe:

Wer will, darf also ohne Übertreibung behaupten, unter Josefine habe sich das Problem, das Parteien für die politische Willensbildung eines Landes darstellen, endlich von selbst erledigt. Allerdings wird diese Auffassung nicht von Regierungsseite gestützt. Josefine, angesprochen auf die in diesem Zusammenhang auftretenden Schwierigkeiten – denn auch das Volk der Mäuse strebt von Zeit zu Zeit an die Wahlurnen –, verweist gern auf die Verpflichtung aller Demokraten, in schwierigen Zeiten zusammenzustehen und nicht zuzulassen, dass »dieses Land unregierbar wird« oder mir
nichts dir nichts dem politischen Gegner in die Hände fällt. »Mir nichts dir nichts« sagt sie zwar nicht, aber die jungen, mitunter auch nicht mehr so jungen Moderatorinnen lesen es von ihren Lippen ab und lassen es überall, wo es ihnen zu passen scheint, in ihre sanfte Begleitrede einfließen. Überhaupt legt Josefine, seit sie zum ersten Mal den Hermelin
übergestreift hat, großen Wert auf gepflegte Begleitung.
Die ungepflegten, schwupps!, frisst der Kater.
(Aus: Josefine, Königin der Herzen)